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KIT-München betreute tausende Betroffene

Bilder, die bleiben - fünf Jahre nach dem OEZ-Attentat: Die Bedeutung Psychosozialer Notfallversorgung im Katastrophenfall

Am 22. Juli 2016 tötete ein 18-Jähriger aus rechtsextremistischen Motiven im Münchner Norden neun Menschen. Fünf Jahre sind seitdem vergangen, doch Tat und Verfolgung des Täters, die sich über mehrere Stunden hinzogen, verfolgen Betroffene, Angehörige, Augenzeugen und Einsatzkräfte bis heute.

In einem Fastfood-Restaurant hatte der Täter fünf Jugendliche aus nächster Nähe erschossen, vier weitere Menschen auf der Flucht, ehe er sich knapp drei Stunden später selbst tötete. Als um 17.50 Uhr die ersten Notrufe eingingen, begann auch für das Krisen-Interventions-Team des ASB - kurz: KIT-München - einer der herausforderndsten Einsätze seiner 27-jährigen Geschichte.

Den ehrenamtlichen Einsatzkräften bot sich bei ihrem Eintreffen ein chaotisches Bild; lange war unklar, ob es sich um einen Einzeltäter handelte, und ob auch für die Helfenden eine Gefahrensituation bestand. "Überlebende eines Attentats brauchen eigentlich in erster Linie Sicherheit", sagt KIT-Gründer Dr. Andreas Müller-Cyran, "anfangs waren wir aber selbst genauso verunsichert wie alle um uns herum." Trotz dieser widrigen Umstände zog das KIT-München noch am selben Abend 22 eigene Einsatzkräfte zusammen, die gemeinsam mit 27 Einsatzkräften anderer Hilfsorganisationen, u. a. KIT-Teams aus dem Umland, der Notfallseelsorge, der Bergwacht und dem BRK 800 Menschen akut betreuten.

Die sich anschließende Nacht und die Folgetage waren lang, denn anders als im Rettungsdienst ist der Einsatz für die Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) nach dem unmittelbaren Ereignis nicht abgeschlossen. Im Gegenteil: Die Einsatzkräfte des KIT-München beginnen oft erst, wenn alle andere Arbeit getan ist, gemeinsam mit den Betroffenen einen Weg zu finden, mit dem, was sie erlebt und erlitten haben, umzugehen.

Die Aufgaben erstreckten sich dabei von der unmittelbaren Betreuung von Personen über das Überbringen von Todesnachrichten bis hin zur behutsamen Begleitung von Trauernden aufgrund der außergewöhnlichen Situation über Tage hinweg zurück in die Handlungsfähigkeit. Unter den Betreuten waren ganz unterschiedlich Betroffene – Hinterbliebene, Menschen, die ihre Angehörigen vermissten, aber auch viele traumatisierte Personen fernab des Geschehens in panischer Angst.

Sebastian Hoppe, Psychologe und Leiter der PSNV beim ASB, forscht zur Frage, was diese Hilfe für Menschen nach extrem belastenden Erlebnissen bewirkt. Er erklärt: „Im Rahmen unserer derzeit laufenden Studie zeigt sich ganz deutlich, wie wichtig diese Form der Unterstützung ist. Zwar können wir die Ereignisse nicht ungeschehen machen, aber wir können da sein, Orientierung geben und Sicherheit schaffen und die Betroffenen nicht alleine lassen. Genau das sind die zentralen Punkte, die Betroffene auch nach Monaten noch als besonders hilfreich in Erinnerung haben werden, und das galt natürlich auch für unsere Einsätze nach den Ereignissen am OEZ.“

Sieben Tage nach den ersten Schüssen am OEZ hatte das Team aus KIT-München und zusätzlichen Einsatzkräften tausende betroffene Menschen betreut. Täglich waren zwischen 30 und 60 Mitarbeiter*innen der Krisenintervention rund um die Uhr im Einsatz. Auch für sie werden die Bilder dieser Tage bleiben.
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Fakten zum KIT-München:
Das KIT-München gehört zum gemeinnützigen Arbeiter-Samariter-Bund und ist im Alltag Teil des Rettungsdienstes. Es wurde im Jahr 1994 als das weltweit erste Kriseninterventionsteam gegründet. Seit 27 Jahren betreut das KIT-München jährlich ungefähr 2000 Betroffene psychosozial in akut stark belastenden Ereignissen. Rund um die Uhr üben die gut ausgebildeten Einsatzkräfte aus allen Hilfsorganisationen rein ehrenamtlich ihren Dienst aus, der für die Betroffenen kostenlos ist.
Zuschüsse der Landeshauptstadt München, des Landkreises München und Mitgliedsbeiträge des ASB setzen das finanzielle Grundgerüst. Doch erst mit Hilfe weiterer Unterstützung durch Spenden ist das KIT-München in der Lage, seinen Dienst und alle damit anfallenden Kosten (etwa für Einsatzfahrzeuge, Material und Ausstattung der Mitarbeiter, Aus-, Fortbildungen und Supervisionen) zu decken.